Eine Woche vor dem Pokalfinale musste der SSC zu einem der formstärksten Teams der Liga reisen. Der VC Wiesbaden hatte die letzten sechs seiner sieben Spiele gewonnen. Dementsprechend war es ein sehr umkämpftes Spiel, bei denen die Außenangreiferinnen beider Teams offensiv herausstachen, aber auch die Liberas in der Defensive. Am Ende setzte sich Schwerin im Tiebreak mit 3:2 durch und geht mit einem guten Gefühl ins Pokalfinale kommende Woche.

Felix Koslowski setzte auf dieselbe Aufstellung, die in der Woche zuvor Suhl geschlagen hatte. Seine Mannschaft startete aggressiv ins Spiel, ging über Hölzig und zwei Asse von White in Führung. Wiesbaden konterte direkt und zeigte, warum man sich vom letzten Tabellenplatz kontinuierlich hocharbeiten konnte bis auf Platz sieben. Mit 8:7 ging es in die erste technische Auszeit. Schwerin lief einem knappen Rückstand hinterher. Die Annahme funktionierte noch nicht optimal, sodass Kästner weite Wege laufen musste und den Schweriner Angriff nicht wie gewohnt in Szene setzen konnte. Wiesbaden erhöhte auf 14:11. Koslowskis Auszeit zeigte noch nicht die gewollte Wirkung. Der Tabellensiebte hielt den Vorsprung bei und konnte sich über erfolgreiche Außenangriffe auf 19:16 absetzen. Dabei half vor allem die Block-Abwehr. Schwerins Coach reagierte, brachte Neuhaus auf Diagonal, die sofort den ersten Ball bekam und punktete. Doch das Team von Benedikt Frank fand die Lücken, ob im Schweriner Hinterfeld oder kurz hinterm Block. White und Neuhaus verkürzten aus der Mitte. Die 1,78 m große Außenangreiferin Tanja Großer erspielte  ihrem Team vier Satzbälle, von denen Lena Große Scharmann den ersten direkt nutzen konnte zum 25:20 und 1:0.

„Tutku hatte Probleme mit dem Rücken. Wir haben es probiert, aber es ging leider nicht. Das ist eine sehr wichtige Spielerin, die heute gefehlt hat. Dann haben wir etwas Schwierigkeiten, in den Rhythmus zu finden“, sagt Schwerins Trainer über den ersten Satz.

Koslowski ließ Neuhaus auf dem Feld und wechselte Alsmeier für Ruddins ein. Jazmine White eröffnete mit ihrem achten Punkt den Satz. Die 29-Jährige zeigte bisher als eine der wenigen Normalform und sorgte dafür, dass ihr Team in Führung ging. Ihre Teamkameradinnen zogen nach. Der SSC generierte mehr Druck über den Aufschlag, sodass Wiesbaden nicht mehr das Spiel machen konnte. Mit einer 8:4 Führung ging es für die Gäste in die erste technische Auszeit. Die Ballwechsel wurden im zweiten Satz länger. Beide Defensiven sorgten für einige Rettungstaten. Schwerins Offensive ließ ein bisschen in der Präzision nach. Wiesbaden stabilisierte seine Annahme, zog auf 9:9 gleich und ging kurz danach in Führung. Koslowski nahm in kurzen Abständen seine beiden Auszeiten, gab emotional Anweisungen und Korrekturen. Nun kam er in die Köpfe seiner Spielerinnen. Drei Punkte in Serie waren die Folge. Dennoch ging der VCW mit 16:14 in die zweite technische Auszeit. White erzeugte wieder einen Druck im Aufschlag, mit dem Wiesbaden Probleme hatte. Schwerin zeigte mehr Präsenz und konnte den Spielstand vor der Crunchtime drehen. Alsmeier und Hölzig legten ihre Angriffe hinter den Block und wahrten die Führung. Ein Aufschlagfehler bedeuteten zwei Satzbälle. Alsmeier nutzt den zweiten nach langem Ballwechsel zum 25:23 und 1:1 Ausgleich.

Schwerin erwischte erneut den besseren Start in den Satz. Der Druck über den Aufschlag war weiterhin gegeben, der Gegner wurde zu Fehlern gezwungen. Wiesbadens Abwehr warf sich in jeden Ball rein und hielt die Partie ausgeglichen. Beide Mannschaften punkteten besonders häufig über ihren Außenangriff, was das Match in dieser Phase sehr schnell machte. Der VCW erhöhte den Angriffsdruck und ging knapp mit 8:7 in Führung. Schwerins Mittelblock machte dies sofort wett, glich zum 10:10 aus, startete eine kleine Serie bis zum 14:10 und erhöhte auf 16:13 zur technischen Auszeit. Die Abwehrreihen sorgten wieder für lange Rallyes, bei denen Schwerin die Nase vorn hatte. Frank wechselte auf Zuspiel- und Außenposition. Den SSC beeindruckte das nicht. White nutzte direkt einen Dankeball. Hölzig machte zudem nicht nur hohen Druck über ihren Aufschlag, sondern auch mit ihren Angriffen aus dem Hinterfeld. 23:13 nun für den Rekordmeister. Wiesbadens beste Punktesammlerin, Tanja Großer, setzt einen Schlag ins Aus – 25:14 und 2:1 für den SSC.

Schwerin setzte mit einem 5:0 im vierten Satz direkt ein Ausrufezeichen. Kästner schlug stark auf, Wiesbaden konnte sein Spiel nicht mehr aufs Feld bringen. Koslowskis Schützlinge entwickelten ein Selbstverständnis in ihrem Spiel, erhöhten direkt auf 8:2. Der Block stand in dieser Phase häufig richtig und bedeutete Endstation für die Wiesbadenerinnen. Diese gaben sich aber nicht auf, kämpften sich Stück für Stück heran und glichen vor allem durch Großer und Große Scharmann zum 10:10 aus. Koslowski reagierte, brachte Fernau fürs Zuspiel und Ruddins auf Diagonal. Beim 13:12 wechselte der 38-Jährige wieder zurück. Nachdem beide Teams eine besonders starke Phase hatten, ging der SSC wieder mit 16:13 in Führung. Jeder Punkt war in dieser Satzmitte nun hart erarbeitet und das auf beiden Seiten. Wiesbaden kam wieder auf 17:18 heran. Schwerin bewahrte die knappe Führung, musste aber zum 21:21 den Ausgleich hinnehmen. Hölzigs Schlag ins Aus bedeuteten zwei Satzbälle für den VCW. Der Schiedsrichter pfiff eine Netzberührung von Kästner, was das 25:22 für Wiesbaden zur Folge hatte.

„Wir erhöhen den Aufschlagdruck, vor allem Pia und Anne hatten da gute Phasen, Frauke hat gut gepunktet. Dann geht der Aufschlagdruck ein bisschen runter und Wiesbaden nimmt wieder sofort Fahrt auf. Dann merkt man auch, dann kommt die Halle hier, die Emotionen nehmen zu, sie kriegen das Gefühl, dass hier nochmal was gehen kann“, erklärt Koslowski die Achterbahnfahrt im vierten Satz. Es ging in den Tiebreak.

Der Start war geprägt von knappen Entscheidungen – Aus oder nicht, Antennen- oder doch Netzberührung? Die starke White mit Punkten aus der Mitte sowie Anna Pogany mit vielen Rettungsaktionen im Hinterfeld hielten ihr Team im Spiel. Beide Teams agierten auf Augenhöhe, punkteten stetig, bauten aber auch Eigenfehler ein. Mit einer knappen Führung von 8:7 für Schwerin wechselten die Teams ihre Seiten. 8:8, 9:9 und 10:10 waren die folgenden Spielstände. Beim 10:12 brachte Koslowski Ruddins für Alsmeier, die prompt den Anschluss besorgte. Neuhaus glich mit einem Ass zum 12:12 aus. Zwei Aufschlagfehler in Folge bedeuteten Matchball für Schwerin. Ein weiterer Fehler Wiesbadens bescherte dem SSC den 15:13 Satzgewinn und mit 3:2 zwei wichtige Punkte.

Auf Seiten Wiesbadens sammelten MVP Großer (19) und Große Scharmann (17) die meisten Punkte, bei Schwerin Hölzig (20) und White (19). MVP wurde Libera Pogany.

„Wiesbaden ist in einem absoluten Flow gewesen, das war klar, dass sie das heute präsentieren werden. Die Block-Abwehrarbeit, das Tempo im Angriff, das sie gespielt haben, das war beeindruckend. Wir mussten alle Register ziehen, wirklich ans absolute Limit gehen, um dieses Spiel heute irgendwie nach Hause zu bringen“, sagt Koslowski nach der Partie und blickt in Richtung Pokalfinale in der kommenden Woche. „Wir nehmen heute mit, dass wir es mit einer unglaublichen Willensleistung geschafft haben, Wiesbaden niederzuringen – nicht nur die Mannschaft auf dem Feld, auch die ganze Atmosphäre, die hier in der Halle geherrscht hat. Das war nicht einfach, dagegen zu kämpfen. Wir waren teilweise frustriert, mussten trotzdem den Kopf wieder hochnehmen. Das haben die Mädels gemacht. Das war mental eine richtige Aufgabe heute. Die haben wir gemeistert.“