Zwei 24-jährige Amerikanerinnen verstärken seit dieser Saison den SSC Palmberg Schwerin: Mittelblockerin Symone Speech und Außenangreiferin Lindsey Ruddins schlagen seit der Saison 2021/22 für den Deutschen Rekordmeister auf. Beide begannen ihre sportliche Karriere im Alter von 14 Jahren, erarbeiteten sich über Jahre am College ein Standing als Volleyballerinnen und entschieden sich dann für den Schritt ins Ausland. Nach Stationen in Italien, Puerto Rico und beim SC Potsdam, haben die jungen Damen in Schwerin ihr Zuhause gefunden und teilen sich bei Auswärtsfahrten ein Doppelzimmer. Was für die zwei typisch deutsch ist, wie sich das amerikanische Volleyballsystem vom europäischen unterscheidet und wie sie in diesem Jahr Weihnachten verbringen, verraten uns die beiden im exklusiven Doppelinterview.

 

Es ist für Euch beide nicht die erste Saison im Ausland – inwieweit seid ihr schon in Europa/Deutschland angekommen?

Symone: Ich bin schon sehr viel herumgekommen und es ist für mich nicht so leicht, einen anderen Ort als „zuhause“ anzusehen. Von allen Clubs, bei denen ich bisher gespielt habe, fühle ich mich allerdings in Schwerin am meisten zuhause. Meine ersten Auslandsstationen waren einfach nur reines „business“, in diesem Jahr in Schwerin habe ich allerdings das Gefühl, mehr als nur eine Volleyballspielerin zu sein. Ich konnte mit jedem aus dem Team eine tolle Beziehung aufbauen und fühle mich daher sehr angekommen.

Lindsey: Wenn wir an freien Wochenenden mal kleine Roadtrips unternehmen, haben wir bei der Ankunft in Schwerin immer das Gefühl – oh, endlich zuhause! Ich vermisse Schwerin regelrecht, wenn wir unterwegs sind. Wir fühlen uns alle in unseren Wohnungen und mit dem ganzen Team sehr wohl, dass es schön ist, „nachhause“ zukommen. Schwerin ist die perfekte kleine Stadt, genug zu entdecken aber nicht zu groß und stressig.

 

Welche interkulturellen Unterschiede sind für Euch am auffälligsten? Welche typisch deutschen Angewohnheiten nehmt ihr mit auf Eure nächste Station?

Lindsey: Pünktlich sein 😊 Ich bin gerne pünktlich, auch in meiner Heimat aber hier ist es toll, dass alle eine halbe Stunde vorm Training in der Umkleide sind und man auf niemanden warten muss.

Symone: Alles ist hier sehr organisiert – im Gegenzug sind die USA aus meiner Sicht ein großes Durcheinander. Ich liebe Struktur, so weiß man immer, was man zu erwarten hat und wird selten überrascht.

 

Wieviel Heimweh habt ihr, speziell in der Vorweihnachtszeit – wie verbringt ihr Weihnachten normalerweise und seit ihr Volleyballprofis seid?

Symone: Ja, sehr viel Heimweh. Man versucht zwar über das Telefon mit allen in Kontakt zu bleiben, aber es ist gerade in dieser Zeit nicht leicht. Normalerweise ist Weihnachten bei mir ein großes Familienfest, was bei meinen Eltern beginnt, dann geht’s zu meiner Oma, dann zur Tante und so weiter. In diesem Jahr fahren mein Verlobter und ich nach Mallorca – mal etwas ganz anderes!

Lindsey: Ich habe auch viel Heimweh, aber wir haben eine Familien-Gruppe und da sehe ich jeden Tag, was meine Liebsten so treiben mit vielen Fotos. Ich versuche meistens Weihnachten zuhause zu sein, im letzten Jahr war es sehr schwer, weil wir nicht reisen konnten. Wir hatten zwar ein Weihnachtsessen mit der Mannschaft, aber ich wollte am liebsten in mein Bett und weinen… In diesem Jahr geht’s nachhause und ich freue mich riesig. Meine ganze Familie lebt in Orange County und wir machen ein Weihnachtsbrunch, am meisten freue ich mich auf meine 97-jährige Oma.

 

Ihr seid zwar schon ein paar Jahre im Ausland, aber erinnert Euch nochmal, wie ihr zum Volleyball gekommen seid und beschreibt das Volleyballsystem in den USA.

Lindsey: Wir haben glaube ich beide erst mit 14 angefangen, in einem richtigen Club Volleyball zu spielen – das ist ein Riesenunterschied, wenn ich sehe, wie hier beim Schweriner SC die ganz kleinen 6-jährigen Mädchen bereits anfangen zu üben. Nach dem Club-Volleyball kommt dann die Entscheidung für ein College, einige entscheiden nach dem Studiengang, wohin sie gehen, andere nach der Stärke des Sport-Teams am jeweiligen College. Dann studiert man und betreibt den Sport nebenbei und am Ende der College-Saison entscheidet sich, ob man das Zeug zum Profi hat und ins Ausland wechseln möchte. Ich wusste immer, dass ich nach dem College weiterspielen wollte.

Symone: Ich habe auch den Eindruck, dass Schule und Sport hier in Deutschland gleich wichtig sind, in den USA kommt erst die Schule und dann irgendwann das sportliche Ziel. In den USA probiert man viele Sportarten aus, entscheidet sich aber häufig erst im Teenage-Alter für die Lieblingsdisziplin. Am College kristallisiert sich dann heraus, ob man Chancen hat, den Sport eventuell professionell zu betreiben. Während meiner College-Zeit haben mir viele Coaches geraten: Du solltest das professionell machen, aber ich war immer etwas unsicher. Den entscheidenden Satz hat dann mein Onkel gesagt, er war selbst Basketballspieler und hatte mal ein Angebot aus der Türkei, welches er abgelehnt hat, weil er meine Tante kennengelernt hatte. Er sagte: probier’s aus, zurückkommen kannst Du immer noch, wenn es Dir nicht gefällt.

 

Den Amerikanern wird ein großer Sportsgeist und eine kompetitive Wettkampfeinstellung nachgesagt, woher kommt das?

Lindsey: Ich bin in einem sehr kompetitiven Haushalt aufgewachsen, mit meinen Schwestern und den verschiedenen Sportarten, die wir alle gemacht haben. Da ging es schonmal viel ums Gewinnen. Außerdem steckten meine Eltern sehr viel Geld in den Sport, damit wir beim besten Club spielen konnten. In 3-4 Jahren kommen da als Vereinsbeitrag und als Extra-Kosten, damit man an Turnieren teilnehmen kann, locker 20.000-30.000 Dollar zusammen. Das will man dann irgendwie zurückgeben und entwickelt diesen Kampfgeist, die beste werden zu wollen. Das ist sicher auch ein Grund, warum viele Spielerinnen so spät mit Volleyball anfangen, weil die Mitgliedschaft in guten Clubs unglaublich teuer ist.

Symone: In den USA bewirbt man sich häufig mit vielen anderen um ein Stipendium, denn die Kosten fürs College oder auch, um in einem Club zu spielen, sind extrem hoch. Ich denke, dadurch dass man mit so vielen um die wenigen Plätze der Stipendien kämpft, strengt man sich automatisch mehr an und gibt sein bestes.

 

Habt ihr ein Traumziel, wo es Euch in Eurer Volleyballkarriere unbedingt einmal hin verschlagen soll?

Lindsey: California 😊 Ich könnte mir sehr gut vorstellen, nach meiner internationalen Karriere nach Californien zurückzukehren. Ich fand es am College immer cool, wenn ehemalige Spielerinnen eine Coaching-Karriere eingeschlagen haben und ihr Wissen an junge Sportlerinnen weitergegeben haben.

Symone: Es gibt noch viele spannende Stationen, die ich mir vorstellen könnte, aber manchmal passen die Orte, an denen ich gern leben möchte nicht unbedingt mit dem Volleyballniveau zusammen, auf dem ich spielen will. Schöne Orte wie in Spanien oder auf den kanarischen Inseln haben nicht die Top-Volleyballteams, bei denen ich spielen möchte. Langfristig möchte ich auch gern wieder nachhause.