Doppelinterview mit Frauke Neuhaus und Stephanie Samedy über Veränderungen, Chancen und ein Leben nach der Volleyballkarriere

Während das Auswärtsspiel des SSC in dieser Woche für Frauke Neuhaus eine Rückkehr in die alte Heimat Wiesbaden bedeutet, sind für US-Neuzugang Stephanie Samedy alle Gegner eine Premiere. Die zwei Diagonalspielerinnen des aktuellen Schweriner Kaders haben bisher einen unterschiedlichen Karriereweg hinter sich und dennoch viele Gemeinsamkeiten. Die 29-jährige Mannheimerin Frauke Neuhaus kennt die Volleyball Bundesliga wie ihre Westentasche, spielte sie bereits in Stuttgart, Aachen, Straubing und Wiesbaden bevor sie zum Deutschen Rekordmeister in den Norden wechselte. Ihre Zimmerkollegin Stephanie Samedy hingegen wurde erst im Dezember vom amerikanischen College in Minnesota nach Deutschland gelockt. Das 24-jährige College-Talent fügt sich immer besser in die Mannschaft ein und genießt das Abenteuer Europa. Für beide war es bisher eine Saison mit vielen unvorhergesehenen Veränderungen, geprägt von kurzfristigen Spielabsagen und neuen Gegebenheiten. Beide studieren neben ihrer Profikarriere, um sich ein sicheres Standbein nach der Zeit im Leistungssport aufzubauen. Wie beide mit den verschiedenen Herausforderungen umgehen, erzählen sie im Doppelinterview.

10 Minuten vor diesem Interview wurde Euer Topspiel gegen Stuttgart in der Volleyball-Bundesliga abgesagt, Grund dieses Mal nicht Corona sondern die Unwetterlage. Wie geht ihr damit um, dass sich Pläne von jetzt auf gleich ändern können?

Frauke: Wir sind es mittlerweile schon gewohnt, dass sich Spieltermine ständig verändern, dass wir es eigentlich gar nicht mehr als so eine große Herausforderung ansehen, denke ich. Vermutlich ist es für das Team hinter dem Team ein größerer Aufwand alles immer wieder umzuplanen.

Stephanie: Ja, das denke ich auch. Wir haben so ein gutes Team, was uns die ganze Vorbereitung abnimmt, dass wir eigentlich nur auf den aktuellen Plan schauen müssen, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Natürlich hätten wir das Spiel gegen Stuttgart gern gespielt, besonders für die Fans, aber wir nehmen es, wie es gerade kommt.

Wie geht ihr in Eurem Leben generell mit Veränderungen um?

Frauke: Wenn es Dinge sind, die ich sowieso nicht beeinflussen kann, versuche ich so wenig wie möglich darüber nachzudenken. Es hilft in solchen Situationen nicht, Sachen zu sehr zu durchdenken oder sich über Themen zu ändern, die man nicht beeinflussen kann. Ich versuche eher nach Lösungen zu suchen, wie man mit einer Situation am besten umgehen kann, anstatt mich darüber zu ärgern.

Stephanie: Ich versuche nicht so viele Erwartungen zu stellen, sondern gehe eher mit dem „Flow“ und nehme Situationen so an, wie sie geschehen. Auch aus Veränderungen ergeben sich immer neue Möglichkeiten und Chancen: wenn ein Spiel abgesagt wird, haben wir mehr Zeit an bestimmten Dingen zu arbeiten und härter zu trainieren, also ist jedes Ereignis am Ende für irgendetwas gut.

Auch Euer Kennenlernen war vermutlich etwas anders als geplant: Frauke, Du hast die Vorbereitung und den ersten Teil der Saison mit Kertu Laak auf dem Zimmer verbracht, die den Verein im Dezember verließ. Dann kam Stephanie ins Team. Wie hast Du die neue Situation angenommen?

Frauke: Teammate ist Teammate, für mich war das gar kein Problem. Der Wechsel im Team war eine Situation, die ich nicht beeinflussen konnte und von daher war es für mich einfach, sie zu akzeptieren. Insgesamt sind wir ein sehr harmonisches Team und haben Steph – hoffentlich – gut bei uns aufgenommen.

Stephanie, war es für Dich schwer, neu ins Team zu stoßen – die halbe Saison war im Dezember bereits gespielt?

Stephanie: Für mich war der Wechsel natürlich aufregend, aber ich hatte Glück, Frauke als Zimmerpartnerin zu haben. Sie hat mir von Anfang an alles gezeigt, beim Übersetzen geholfen und sich toll um mich gekümmert. Auch in Schwerin hat sie mich ab und an mitgenommen und mir die Stadt gezeigt. Es hilft sehr, in so einem freundlichen Team mit tollen Mitspielerinnen zu sein – das macht den Neuanfang easy.

Auf dem Spielfeld gibt es nur eine Diagonalposition – ihr teilt euch zwar bei den Auswärtsfahrten ein Zimmer, aber gibt es auch Konkurrenz?

Frauke: Das ist überhaupt kein Thema.

Stephanie: Ja, das sehe ich auch so. Im Gegenteil, wenn ich etwas im Training oder Spiel sehe, was Frauke gut macht, denke ich mir – das sollte ich auch mal probieren. So lernen wir am meisten voneinander, Konkurrenzgedanken gibt es da nicht!

Neben dem Volleyball habt ihr euch beide ein zweites Standbein mit einem Studium aufgebaut. Stephanie, wie können wir uns Deinen College Alltag in den USA vorstellen?

Stephanie: Am amerikanischen College bekommt man sehr viel Unterstützung, es gibt viele Coaches und Tutoren, die sich darum kümmern, dass Athleten Studium und Leistungssport unter einen Hut bekommen. Auch die Mitspielerinnen unterstützen sich super gegenseitig, lernen in Gruppen und helfen einander, sodass man alle Hürden gemeinsam meistert. In Bezug auf Corona habe ich zum Glück ein bisschen von allem erlebt – meine Freshman Jahre waren die klassische Uni-Zeit mit vielen Freizeitaktivitäten neben dem Sport und dem Lernen. In den Senior Jahren als Covid auftauchte, wurde dann auf digitalen Unterricht umgestellt. Mir gefällt Präsenzunterricht in der Klasse deutlich besser.

Und Frauke, wie kommst Du mit der Doppelbelastung klar?

Frauke: Als ich meinen Bachelor begann, habe ich noch nicht professionell Volleyball gespielt und an einer normalen Uni studiert – mit einem richtigen Studentenleben. Als ich mich dann für eine Profikarriere entschieden habe, hatte ich den Bachelorabschluss schon fast in der Tasche und musste nicht mehr so oft auf den Campus. Jetzt im Masterstudiengang müsste ich eigentlich viel präsenter an der Uni sein, da mehr Seminare im Plan stehen als Prüfungen. Corona hat für mich persönlich eine positive Wende zur digitalen Lehre bedeutet. So konnte ich vieles online erledigen, obwohl ich nicht an einer Fernuni studiere.

Wie wichtig ist es als Leistungssportler, dass man neben der täglichen Aktivität des Körpers auch etwas für den Geist tut?

Stephanie: Ich denke es ist sehr wichtig, denn wenn man sich nur auf den Sport konzentriert, kann man schnell zu verbissen werden oder zu sehr darüber nachdenken. Es tut gut, eine Pause von der Trainingshalle zu haben und sich abseits mit etwas völlig anderem zu beschäftigen. Das kann ein Studium sein oder Hobbys wie Musik, Kunst oder Spazierengehen.

Frauke: Wir können vermutlich nicht unser ganzes Leben Volleyball spielen bzw. davon leben, daher ist es wichtig, sich abzusichern. Dass man nach der Profikarriere nicht bei null anfangen muss, sondern bereits etwas investiert hat, ist ein großer Vorteil für den Einstieg ins Berufsleben abseits des Sportes.

Wie schwer wird Euch der Umstieg nach der Volleyball-Karriere im Hinblick auf einen anderen Job fallen?

Frauke: Wir sind ja etwas älter, wenn wir einen „richtigen“ Job beginnen und es kann ein Vorteil sein, dass man gewisse Erfahrungen im Leben bereits gesammelt hat und wichtige Werte aus dem Sport in den nächsten Job übernimmt. Gleichzeitig sind wir dann mit 30 Jahren „neu“ in einem Job, den die Kollegen vielleicht schon seit 10 Jahren machen und das wird sicher spannend. Hoffentlich können uns die Teamplayer-Qualitäten aus der Sportlerkarriere auch später helfen.

Stephanie: Ich bin offen für die Möglichkeiten, die sich nach meiner Sportlerkarriere ergeben und glaube, dass der Umstieg sicher eine Herausforderung wird, aber lasse es einfach auf mich zukommen. Ich habe zwar Sportpsychologie studiert, könnte mir aber auch viele andere spannende Jobs vorstellen.