Dass Spiele in Wiesbaden einen gewissen Nervenkitzel mitbringen, weiß jeder Fan des SSC und auch Coach Koslowski sagte vor der Partie, dass seine Mannschaft vermutlich ein spannendes Duell erwartet. Dass es aber eine 2½-stündige Achterbahn der Gefühle wird, hatte wohl niemand eingeplant. Nach einem deutlichen 1. Satz für die Tabellenführerinnen aus Schwerin entwickelte sich ein dramatisches Duell in 5 Sätzen. 2 Punkte kann der SSC in Wiesbaden entführen und gewinnt mit 19:21 den alles entscheidenden Tiebreak. Wichtiger als die Punkte wird jedoch die Diagnose von Linda Bock sein, die sich im 4. Durchgang der Partie bei der Landung nach dem Angriff am Knie verletzt hat. Nachdem auf dieser Position bereits Fleur Savelkoel und Anne Hölzig mit einem Kreuzbandriss ausgefallen sind, bleibt nur zu hoffen, dass Linda eine mildere Diagnose erwartet…
Starting Six Schwerin – Kästner, Pogany, Baijens, White, Yüzgenc, Marring, Bock
Starting Six Wiesbaden – Bozic, Blanchfield, Anderson, Rapacz, Großer, Herelova, Sain
SATZ FÜR SATZ
SATZ 1: Der SSC startet mit viel Druck in die Partie und kann sich zu Satzbeginn schnell mit 2:6 absetzen. Bei guter Annahme kann Zuspielerin Pia Kästner, die zwar in der letzten Woche mit einem Infekt kämpfte, pünktlich zum Spiel aber einsatzbereit ist, ihre Angreiferinnen gewohnt variabel einsetzen und es punkten Linda Bock, Nova Marring und Tutku Yüzgenc. Umrahmt von guter Stimmung in der Halle am Platz der Deutschen Einheit sind die Schwerinerinnen sowohl in Annahme als auch in Angriffseffizienz in diesem Durchgang deutlich überlegen und die Gastgeberinnen können ihr Spiel nicht durchbringen. Das Team von Bene Frank kann kaum Angriffe auf den Boden bekommen und wirkt beeindruckt von der Power auf der anderen Seite. Zum Satzende drücken die Gäste aus Schwerin nochmal aufs Gaspedal, besonders Linda Bock leitet erst mit guten Angriffen, einem Ass und anschließend mit starken Abwehraktionen den Satzgewinn ein. Ein Angriff von Tutku Yüzgenc besiegelt den ersten Durchgang mit 14:25 für die Damen in Gelb.
SATZ 2: Angepeitscht vom heimischen Publikum starten die Gastgeberinnen besser in Durchgang zwei und können den SSC mit guten Aufschlägen unter Druck setzen, es steht schnell 4:1 für den VCW. Ein Block von Indy Baijens zum 7:5 beendet eine sehenswerte Rallye mit tollen Reflexen beider Teams, doch Wiesbaden kann den nächsten Punkt erzielen und mit 8:5 in die technische Auszeit gehen. Wiesbaden schafft es in diesem Satz, immer mehr Druck im Angriff aufzubauen, besonders Blanchfield zwingt den Schweriner Abwehrriegel regelmäßig in die Knie. Die Partie ist deutlich ausgeglichener und auf Seiten der Gäste häufen sich kleine Unaufmerksamkeiten. Nach dem eindeutigen ersten Durchgang wirkt das Team von Felix Koslowski überrascht von der plötzlichen Gegenwehr der Wiesbadenerinnen, es geht mit 16:12 in die zweite technische Auszeit. Als Yüzgenc beim Stand von 18:13 einen Angriff im Aus platziert, nimmt Felix Koslowski seine erste taktische Auszeit. Auf Seiten der Gastgeberinnen punkten Anderson und Rapacz und die 1.400 Zuschauer feiern das Comeback ihrer Mannschaft. Doch die Schwerinerinnen geben sich nicht auf, eine Aufschlagserie von Jazmine White und starke Blockarbeit am Netz bringen den 20:18 Anschluss. Doch Wiesbaden bleibt am Drücker, erhöht auf 23:19 und zwingt die Schweriner Coaches zur nächsten Auszeit. Mit dem Doppelwechsel von Dambrink und Fernau versucht Felix Koslowski den ersten Satzverlust in der Liga noch zu verhindern, doch Tanja Großer gelingt das 25:19.
SATZ 3: Mit dem Wechsel von Laura Emonts für Nova Marring, die in Durchgang zwei etwas abgetaucht war, startet der SSC in den dritten Satz. Dem SSC spielen zu Satzbeginn ein paar Eigenfehler auf Seiten von Wiesbaden in die Karten und das Team feiert einen Libera-Punkt durch Anna Pogany’s Abwehraktion zum 4:6. Das Heimteam wird damit zur frühen 1. Auszeit gedrängt. Wiesbaden haut sich in der Abwehr richtig rein und beide Teams brauchen viele Anläufe zum Punkten, was auf beiden Seiten Kräfte kostet aber für ein unterhaltsames Spiel sorgt. Im Gleichschritt gehen beide Mannschaften auf die Satzmitte zu, bis sich der SSC mit 12:16 durch mutige Angriffe von Linda Bock und einen schönen Block von Indy Baijens absetzen kann. Die 4-Punkte Führung kann gehalten werden, Meg Wolowicz darf für Indy Baijens aufschlagen und Kollegin Jazmine White verwandelt zum 14:19, was eine Wiesbadener Auszeit nach sich zieht. Bietau, Langegger und Jebens dürfen bei Wiesbaden ins Spielgeschehen eingreifen, können diesen Satz allerdings nicht mehr drehen. Mit 18:25 kann der SSC diesen Durchgang gewinnen, auch weil das Team von Felix Koslowski ab Satzmitte wieder zur Angriffsstärke des Spielbeginns zurückgefunden hat.
SATZ 4: Ausgeglichen startet der 4. Durchgang und wer denkt, die Gäste aus Schwerin marschieren nach 2 gewonnenen Sätzen unaufhaltsam zum Spielgewinn, hat sich geirrt. Wiesbaden kann nach der ersten technischen Auszeit (8:7) mit 3 Punkten davonlaufen und zwingt Schwerin beim 11:8 direkt zur nächsten kleinen Pause an der Seitenlinie. Beim Stand von 13:10 bringt Felix Koslowski die Holländerin Elles Dambrink für Tutku Yüzgenc auf der Diagonalposition, da die Türkin in diesem Satz nicht die Durchschlagskraft der vorherigen Sätze erreichte. Auf Seiten der Gastgeberinnen sind Banchfield und Rapacz wieder auffällig im Angriff und der Vorsprung wird weiter ausgebaut. Herelova punktet im schnellen Angriff über die Mitte und die Gastgeberinnen spielen sich in einen Rausch zum 20:15, Felix Koslowski nimmt die nächste Auszeit. Die richtigen Worte sind gefragt, um den Tiebreak zu vermeiden, doch Wiesbaden knüpft auch nach Wiederanpfiff an die gute Leistung an. Beim Stand von 22:16 stockt jedoch der Halle der Atem, denn die bis dahin stark aufspielende Linda Bock verletzt sich bei der Landung nach einem Angriff vermutlich schwer und wird unter Schmerzen in die Kabine gebracht. Nach Fleur Savelkoel und Anne Hölzig fällt nun die dritte Außenangreiferin des SSC aus – eine Diagnose ist noch nicht erstellt – und Nova Marring wird wieder eingewechselt. Der Satz geht mit 25:18 an die Gastgeberinnen, doch die Freude an dem spannenden Match wird durch die Verletzung von Linda Bock stark getrübt.
SATZ 5: Ungeachtet dessen, was sich in der Schweriner Kabine abspielt, muss sich das Team um Anna Pogany nun voll und ganz auf den Tiebreak konzentrieren, um hier keine Auswärtsniederlage hinnehmen zu müssen. Der VCW erwischt den besseren Start, weil es ihm gelingt, Tutku Yüzgenc im Block in den Griff zu kriegen und auch Nova Marring auf Außen kommt nicht durch. Wiesbaden geht mit 3:0 in Führung, weil alle Schweriner Angriffsversuche pariert werden können. Mühsam kommt der SSC auf 4:3 heran, doch die Gastgeberinnen lassen 3 Punkte folgen, auch weil die Unterstützung der Halle dem Team in blau in dieser Phase Flügel verleiht. Rene Sain fightet in der Abwehr um jeden Ball und kann ihrem Team damit viele Angriffsmöglichkeiten eröffnen, das auf 8:4 und dann 9:6 davonziehen kann. Mit 11:8 im Rückstand stellt sich das Gefühl ein, dass diese Partie gelaufen ist, doch ein Angriff von Nova Marring gefolgt von einem Aufschlagsass der Holländerin leitet die Aufholjagd ein. Elles Dambrink kommt erneut für Tutku Yüzgenc und VCW Coach Bene Frank nimmt bei 11:10 eine Auszeit. Marring schlägt weiter mutig auf und schafft den Ausgleich zum 11:11. Ein Hinterfeldangriff der jungen Holländerin bringt erstmals die Führung zum 11:12. Spannender kann ein Volleyball-Tiebreak kaum sein. Wiesbaden erspielt sich den ersten Matchball der Partie beim Stand von 14:13. Schwerin wehrt diesen und einen weiteren ab und kann sich bei 15:16 selbst den ersten erarbeiten. Wiesbaden gleicht erneut aus und die Dramatik in der Halle ist selbst für Zuschauer vor dem Bildschirm spürbar. Unter den Augen der verletzten Linda Bock, die sich zum Ende des Tiebreaks im Rollstuhl an die Seitenlinie ihres Teams gesellt, reiht sich eine dramatische Spielszene an die nächste und die Nervosität im Abschluss ist auf beiden Seiten groß. Nova Marring gelingen erst ein Angriff und dann ein Ass zum 19:20 Matchball und als Herelova den Angriff ins Aus setzt, feiern die Gäste den hart erkämpften Sieg nur kurz auf dem Spielfeld, bevor sie zu Linda Bock an der Seitenlinie eilen. Nova Marring sichert sich mit den wichtigen Punkten im Schlussspurt ihre erste goldene MVP-Medaille.
STIMMEN ZUM SPIEL
Felix Koslowski: „Das Ergebnis rutscht natürlich heute in den Hintergrund, was sehr schade ist, denn es wird dem tollen Fight des heutigen Spiels nicht gerecht. Wir sind immer noch am Anfang der Saison und dass wir diesen Tiebreak gewinnen, ist dem harten Kampf der Mannschaft zu verdanken. Besonders nach dem, was im 4. Satz passiert ist, war es unglaublich schwierig emotional, dieses Spiel weiterzuspielen und es sind auch auf dem Spielfeld viele Tränen geflossen. Wir hoffen, dass es bei Linda nicht zu schlimm aussieht und wir sie bald wieder zurück auf dem Feld bei uns haben.“
Bene Frank, Trainer des VCW: “Gute Besserung an Linda Bock aber auch großen Respekt an den SSC, der nach so einer Verletzung einer Mitspielerin den Satz verliert und sich dann wieder zurück kämpft und den Tiebreak holt.“
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